Nachts, wenn in mich Liebe fährt

Das Leben. In mir. Auch ganz nah dran außen herum. Wenn das so voll ist, dass ich nur ganz enge Kreise schwimmen kann. Voll mit Dunkelheit und dem dagegen Anstinken.
Das Leben in mir. Das im Jetzt. Wenn das so sehr Jetzt ist, dass ich erst durch andere erfahre, dass erster Advent ist. Am ersten Advent. Oder das erste Türchen zu öffnen gewesen wäre. Am ersten Dezember. Keine Ahnung, wo und mit wem ich an Weihnachten sein werde …

Du hast gefehlt. Wir haben dich vermisst. Kleine feine Botschaften sind das, die mir sachte ins Herz fahren. Die mich dazu bringen, diesen Teil von mir zu hinterfragen. Das Leben in mir. Und ganz nah dran außen herum. Ich frage mich, ob das wahrhaft gut so ist. Ob gut ist, dass ich mich wohl fühle mit mir und diesem, ich lebe heute …

Ich habe einmal jemanden ausgelacht, der mir eine Rentenversicherung andrehen wollte. Privat. Da stand ich in meinem Lädchen, in dem ich den Müttern kleiner Schätze hübsches Anziehen verkaufte. Meinen Kopf hatte ich vor Wärmeverlust geschützt. Mit einem rosa-orangenen Seidenschal. Ich erinnere mich nicht mehr, woher ich den hatte. Ich glaube, eine Freundin überließ ihn mir damals, weil er mir so gefiel. Und weil ich ihn mehr zu brauchen schien, als sie. Weil es auch im Sommer kalt ist. Zum Beispiel beim Einkaufen. Wenn du vor dem Kühlregal stehst. Musst du plötzlich anfangen zu niesen, wenn das Tuch um deinen Kopf zu dünn ist. Das ist lustig. Du lernst durch solche Sachen, wie sehr Haare wärmen. Wenn du sie noch hast.
Als der Mann mit der Versicherung mich überzeugen wollte, wusste ich das bereits. Und darum lachte ich ihn aus.
Rente? Wissen Sie, wie alt ich bin? Können Sie mir sagen, wie alt ich werde?

Damals muss das angefangen haben. Oder elf Jahre davor, nach meinem ersten Hüpfer von Teufels Schippe. Spontan war ich bestimmt immer. Ja doch, ich erinnere mich. Meine Mutter sagte mir mal, es mache ihr Leben abwechslungsreich. Es sorge für Überraschungen. Auf manche hätte sie sicher gerne verzichtet. Ich auch, denke ich, schreibe es hin und denke dann, das ist Quatsch! Ich nämlich nicht …

Wer wäre ich, wenn ich niemals diesen Schal gebraucht hätte? Wer wäre ich, wenn ich kein Sternenkind hätte? Wer wäre ich … doch das mag ich nicht alles aufzählen. Klingt eh zu pathetisch. Dazu neige ich. Ich weiß es. Ich für mich weiß, was alles war. Ich erinnere mich an jeden Schockmoment. An jede dunkle Nacht, die im Tag nicht Halt machte. An jede Nachricht, die mein Blut für einen Moment still stehen ließ. An jedes Gefühl, nie wieder Freude empfinden zu können und das Leben nicht auszuhalten …

Das Leben. In mir. Mit mir. So lange ich bin. Rückt immer näher an mich heran. Umso näher ich bei mir bin. Ich empfinde Glück inmitten von Traurigkeit. Ich sehe Chancen im Versagen. Ich sage nein, wenn es in mir nein sagt. Und ich weiß um manches Unverständnis im Außen. Ich weiß um Bewertungen.
Aber hey! Ich weiß auch um die Geschenke, die ich jeden Tag erhalte. Sie stecken in Begegnungen mit Menschen, die mich nicht in Frage stellen. Sie stecken in ihrem Lächeln. In einer Umarmung. In ihrer Liebe für mich, die sie manchmal nur ganz still auf die Reise schicken …

Und Leute, das macht so voll. So unendlich fantastisch glücksvoll. Dass ich es heraus weinen muss, weil sonst kein Platz für die anderen Sachen ist. Für das Dunkle zum Beispiel, das eben auch ein Teil ist mit Berechtigung, und das ich viel, viel leichter annehmen kann, als das andere …

Ich bin aufgewacht. Vor einer Stunde. Ich griff nach dem Handy neben mir. Du hast gefehlt heute. Wir haben dich vermisst. Puh! Und das nach einem Tag, der so voller Schön war, dass ich platzen könnte. Und so voller Zweifel, dass ich mir dafür in den Hintern treten könnte. Und darum musste ich jetzt schreiben …

Danke. Danke. Danke. Du Leben! Du, mit allem, was du aus deinen Zauber- und Gruseltaschen für mich ziehst. Mit allen Menschen, die du mir schenkst und die alle, jeder für sich auf seine einzigartige besondere Weise, Masche für Masche stricken. An einem Mantel, der mir die Geborgenheit und Liebe schenkt, die ich brauche, um bei mir bleiben zu können. Und den Weg gehen zu können, der sich für mich richtig anfühlt. Auch und gerade, weil ich nicht weiß, wohin und wie lange er mich noch führt.

Habt alle eine Adventszeit, die euch Gründe schenkt, dankbar zu sein. Mich erfüllt das gerade sehr und darum wünsche ich euch das auch.

Licht & Liebe, eure Jo.

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