naturverbunden

Der Junge drückt die Stirn gegen die Gitterstäbe. Arme und Beine ragen hindurch, als würden sie die Absperrung umarmen. Staubgrau sonnengebräunt. Während sein Kinn zwischen den nackten Knien verschwindet, geht sein Blick an den Füßen vorbei verloren.

Unter ihm flaniert der Sonntagnachmittag. Fasst sich an den Händen. Legt Arme um Hüften. Läuft Hunden hinterher. Er leckt an Eistüten und schreit aus Kinderhälsen. Der Sommer geht. Am letzten schönen Wochenende scheint jeder noch ein Stück von ihm abhaben zu wollen.

Der Junge kratzt über den abgesplitterten Lack des Geländers. Hinter ihm bewegen sich Gardinen. Wehen weit auf. In Bögen. Sie verfangen sich am Mauerwerk. Geschwängert von Zigarettenqualm und bar jeder Bleiche.

Ich schlendere auf der anderen Straßenseite vorbei und werde das Gesicht in meinem Kopf nicht los. Darin den Ausdruck eines, dem die Freude der anderen nichts anhaben kann. Keine Chance in der Luft, ihm die Leere zu vertreiben, denke ich und frage mich, welche Geschichte dahinter steckt. Ist er neu in der Stadt? Versteht er kein Wort von den lachenden Kindern unter ihm? Oder lebt er seit Jahren dort oben hinter den vergilbten Stoffblüten, die ihn vom Draußen trennen? Schützen sie ihn oder sehnt er sich danach, sein Gesicht in das letzte warme Gras des Jahres zu legen, Bälle zu kicken, um die Wette zu laufen? Und darf nicht?

BxchuThIAAEMsSlNichts will ich manchmal so sehr wissen, wie die Gründe für stumme Traurigkeit. Dabei ist es weniger die Geschichte dahinter, als das wilde Bedürfnis, das mich beim Anblick von Kindern und Tieren gleichermaßen überkommt, nämlich, sie unbändig toben und sich des Lebens freuend zu sehen.

© Jo Lenz, 07.09.2014

Als die Halloween-Hexe eine Freundin war

Als die Erde sich mit den Herbststürmen durchs Haar gefahren war und die Bäume ihre Blätterkleider abgelegt hatten, wurde es klapperkalt in Mückelplutz.

Krummnase war seit einigen Wochen ein Kindergartenkind und Mooskopf ging seit genauso langer Zeit in die Schule. Seit die beiden den Preis für das gruseligste Kostüm vom Bürgermeister erhalten hatten, waren die anderen Kinder viel netter zu ihnen geworden. Krummnase hatte so gar lauter kleine Fingernagelüberzieher von ein paar Eltern geschenkt bekommen, damit sie mit ihren krummen Fingern und den messerscharfen Hexenkrallen nicht mehr ihre Schnürsenkel kaputt schnitt, wenn sie sich die Schleife band.
Wenn die kleine Halloween-Hexe trotzdem traurig darüber war, dass ihr das Malen wegen der langen krummen Nase immer noch nicht so recht gelingen wollte, fand sich schnell ein freundliches Kind in der Gruppe, das ihre Tränen trocknete und ein anderes, das ihre Bilder lobte und ihr damit ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Jedes mal, wenn das geschah, rannte Krummnase tatsächlich eins, zwei, fix in den Waschraum und blickte in den Spiegel. Darin konnte sie sehen, dass ihre Tränen verschwunden waren und dass ihre schmalen schwarzen Lippen sich zu einem Lächeln verzogen hatten, welches von dem linken Ohr bis zu dem rechten Ohr reichte.
»Hui, ihr seid ja richtige Zauberer«, gluckste sie dann vor Freude, breitete die Arme auseinander und hüpfte von einem Bein auf das andere. Die anderen Kinder hielten sich dabei immer ein bisschen die Hand vor den Mund und kicherten. Sie wollten die Hexe nicht auslachen … aber sie sah eben einfach zu komisch aus. „Als die Halloween-Hexe eine Freundin war“ weiterlesen

Als die Halloween-Hexe und der Zehwackel-Zauberer das Gruseln lehrten

Zuerst war da ein Tweet: ALLE KINDER MALEN BUNTE KREISE. NUR DIE KLEINE HEXE – DIE MACHT KLECKSE. Und jetzt schenke ich euch mein Halloween-Märchen. Also nur zum Lesen. Das © bleibt bei mir 😉

Es war an einem Tag im September. In der sonderbaren Stadt Mückelplutz. Warum Mückelplutz sonderbar ist, fragst du? Nun, dort leben nicht nur Menschenkinder, so wie du eines bist. Nein, in Mückelplutz leben auch die allerletzten Zehwackel-Zauberer. Aber das ist noch nicht alles. Denn auch die letzten Halloween-Hexen auf der Welt kannst du dort finden.

Eines Tages also, im September, als der Zehwackel-Zauberer Mooskopf den ersten Tag zur Schule gehen durfte, begann für die kleine Halloween-Hexe Krummnase die Kindergartenzeit. Krummnase war die einzige Hexe in ihrer Gruppe und obwohl sie sich so sehr auf den Kindergarten gefreut hatte, ging sie am Abend traurig nach Hause. Warum sie so traurig war, willst du wissen? Nun, die Menschenkinder waren viel geschickter als sie. Sie konnten sich die Schuhe alleine zubinden und bunte Kreise auf Papierseiten malen. Und was das Schlimmste war, sie konnten Lieder singen, die sehr traurige Gefühle machten. Aber lies am besten selbst, wie das war. „Als die Halloween-Hexe und der Zehwackel-Zauberer das Gruseln lehrten“ weiterlesen