»Ein Herz für Kühe«

Vorhin hab ich den Frühling gesehen.
Doch der flog weg und ließ mich stehen,
als ich zum Beweise ihn fangen wollte
und dumm und doll durch Hecken tollte.
Traurig stapfte ich heimwärts weiter.
Allein die Vögel sangen heiter
und lachten meinen Unmut aus:
»Von oben sieht die Welt lustig aus«

Bald schrie verzweifelt übers Tal
’ne Kuh: »Der Frühling kann mich mal!
Ich stehe hungernd hier herum
und guck als wie ein Ochs so dumm,
weil unter meinen Kuhfußschuhen
noch alle Gräser schläfrig ruhen.
Bleib ich auf diesem kargen Feld,
wie schnöder Zierrat abgestellt?«

Nachdem ihr Klagelied vernommen,
hab ich, kaum war ich heimgekommen,
dem Frühling einen Brief geschrieben:
»So komm herbei und lass uns lieben
den Nächsten, wie den Sonnenschein.
Schlag Bäume aus, tret Türen ein.
Bring mit Gewalt uns gute Laune.
Brech Heiterkeit von jedem Zaune,
und schenk der armen Kuh ’nen Mann,
der mehr als nur dumm gucken kann«

(2013)

2 Antworten auf „»Ein Herz für Kühe«“

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