Die Stille des Kühlschranks

Die Stille, nach der mein Schmerz verlangt, klingt nach Kühlschrank. Klingt nach den Krähen im Hinterhof. Nach dem Vater, der sein Kind badet. Hinter einem der offenen Augen im Haus gegenüber. Es ist heiß, und ich lasse das Draußen fensterbreit herein.

Ich vermisse dich so sehr in meinem Leben, und ich merke, wie immer mehr Kaputtes kaputt in mir geht. Gestern wollte ich in die Vitrine schlagen. Wollte alles zu Boden reißen, was ich am Tag zuvor in das neu gebaute Regal gestellt habe. Biss mir stattdessen nur die Wangen wund. Und schlug den Hinterkopf gegen die Steinwand. Wollte ihn so gern ganz kaputt schlagen, damit das Denken an und um dich endlich aufhört.

Ich habe die Bombe in mir deutlich gespürt. Wie sie sich aufblähte. Hässliche Wut. Ohnmacht. Im Kopf den Hörer in der Hand. Holt mich ab. Sperrt mich weg. Macht es dunkel um mich. Und nie wieder hell. Dann floh ich aufs Bett. Keiner mir nach. Dankbar für die Stille. Die Wirkung von lila Lavendel setzte ein. Das Nichts deckte mich endlich, endlich zu und holte mich zu sich in den Schlaf.

Irgendwann in der Nacht umarmte mich die Liebe. Zog mich an sich. Liebte mich. Hielt mich bis zum Morgen. Liebt mich immer weiter. Hält das alles aus. Hält aus, wenn ich mich auflösen will. Wenn Nicht-mehr-da-sein Mantra wird.

In deinem Gehirn passiert das Gleiche, wie bei deinem Kind, sagte Toni zu mir, den ich im Flugzeug kennen lernte und dessen Flugangst wir mit anhaltendem Gespräch vergaßen. Toni, der Psychologe, der mir zwei Buchtitel nannte, die mir helfen sollen, alles zu verstehen, was ich ihm anvertraut habe. Borderline brach Herz, lies das zuerst, sagte er, und suche dir Hilfe.

Vor knapp zehn Jahren wollte die Diagnose niemand stellen. Heute will sie keiner gestellt haben. Nur ich. Nur ich frage mich, wieso … hat denn keiner der Ärzte mir jemals etwas gesagt? Also wälze ich mich in verpassten Möglichkeiten, es besser zu machen. Anders zu reagieren. Anders zu entscheiden. Alles vorbei. Alles niemals wieder gut zu machen. Der Gedanke bringt mich um. Krallt sich unter meine Fingernägel, die sich blutig kratzen am Warum?.

Ich warte auf das Buch. Ich warte auf Frieden. Auf Stille, die nach Kühlschrank klingt. Einen Vater, der sein Kind badet. Hinter einem der offenen Augen im Haus gegenüber. Die Krähen schlafen längst. Haben die Köpfe ins Gefieder gesteckt. Irgendwo. Eine Wespe verirrt sich und bringt den dicken Roten in meiner Küche aus dem Takt. Summen im Chor. Jemand gießt Blumen. Ich höre, wie das Wasser plätschert. Dazwischen das Geräusch eines Messers beim Zwiebeln hacken. Woanders läuft das Radio. Ein Kind, das nicht schlafen will, weint. Ich schließe die Augen und nehme meine Kinder in den Arm. Die Liebe hält meine Hand. Bis alles vorbei ist.

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