ich atme für mich

das gefühl
sich dafür entschuldigen zu müssen
dass man überhaupt noch atmet

gekommen mit worten
die dir über die lippen fahren
meine worte zu vierteilen

wie kann ich auch denken
und dieses denken laufen lassen
wo es sich um dich dreht
in deiner welt
in der ich nur bin
weil die natur es wollte

wie kann ich auch fühlen
was ich empfinde
in deiner anwesenheit
ein paar stunden am tag
zwei vielleicht

das gefühl
dass es sich nur um dich dreht
in meiner anwesenheit

hingesetzt am morgen
wenn der topf duftet und dampft
und deinen tag begleiten soll

wie kann ich denn vergessen
dass ich selbstverständlich bin
weil die natur es so wollte

weil ich es so wollte
dich darin mit heißem herzen
darum werde ich weiteratmen
allein für mich

neulich

neulich
sah ich eine muse sitzen
sie hatte mich wohl erwartet
flog zuvor einige zeit um mich
doch ich nahm sie kaum war

neulich
als ich sie dort sitzen sah
und mich erinnerte an sie
fuhr sie mit einem satz
in mich nur mit einem

neulich
habe ich sie fliegen lassen
ihre zauberhände berühren nun
immer noch jeden tag mein herz
ohne dass sie es weiß

Ich will nur wissen

Ich will nur wissen,
auf welcher Seite du erwachst,
ob dich dein Wecker weckt oder
deine Gedanken dir Schlaf rauben.

Ich will nur wissen,
worüber du als erstes lächelst,
ob du Kaffee oder Tee trinkst,
du Frühstück magst oder nicht.

Ich will nur wissen,
ob du kalt oder warm duschst,
ob du singst dabei oder denkst
und wonach du danach duftest.

Ich will nur wissen,
welchen Schuh du zuerst anziehst,
ob du fast den Schlüssel vergisst,
wen du als erstes am Tag siehst.

Ich will nur wissen,
welche Farbe dein Notizbuch hat
wie viele Seiten noch leer sind, und
wie oft am Tag es in der Tasche bleibt.

Ich will nur wissen,
nach wem du dich umdrehst und
ob du bei rot stehen bleibst, auch
wenn die Straße frei ist.

Ich will nur wissen,
welches Obst du magst, ob
du Äpfel am Ärmel putzt oder
ob du sie mit Wasser wäschst.

Ich will nur wissen,
mit wem du unbedingt mal ein
Bier trinken willst und welches, und
wenn du wählen könntest, wo.

Ich will nur wissen,
worüber du zuletzt Tränen gelacht hast
und was dich zum Weinen bringt oder
ob du dir Tränen verkneifst.

Ich will nur wissen,
ob du jemals wissen willst,
wieso mich das alles interessiert …

spuren

wo ich beiße
ragen kristalle
aus deiner haut
an denen du dich schneidest
bin ich erst fort

wo ich küsse
schäumt blut
unter deiner haut
an dem du dich verbrühst
nehme ich meinen namen mit

wort verloren

es muss ja mal gesagt werden
das verlieren in worten birgt

verlust

geschäfte kann man das
jedoch nicht nennen wir es
gefahr einerseits denn zeilen
halten spinnweben gleich zarter
mal als andere die dich packen
liest du nicht schnell genug weg
fangen sie dich kleben dich

an sich

gefällt dir das zu beginn kannst
du dich von ihnen necken lassen
sie aufheben über wangen streichen
damit sie aufblühen gerötet in wonne

ich selber sitze hier mit gleicher röte
es muss ja mal gesagt werden
das verlieren in worten die eigenen folgten
birgt noch viel größere gefahr …

vergessen

er ist immer schon da
immer noch auch wenn
ich die bank passiere

zwischen backshoptüten
pizzapackungen geleert
glänzt sein grauer bart

er liegt immer nur da
immer noch auch wenn
morgens alles erwacht

auch an nachmittagen da
hängt das bein zur seite
herab blicken nur fremde

und der verkehr rollt laut
redet alles ringsum lässt
ihn seit wochen so liegen

einmal saß er da und ich
fing seine braunen augen
im vorbeifahren auf mich

wie aus dem märchen ein
gesicht wie aus dem märchen
dachte ich und hoffe noch

© Jo Lenz, 29.08.2014

münzenplätten

still liegen die gleise wie indianer
drücken sie ihre ohren auf stahl hart
trifft das wort feigling! den kleinsten
in der feuchten hand münzen vom altpapier

an dieser stelle werden sie besonders platt da
fährt der zug erst langsam an siehst du der bahnhof
dort wird gleich die fette dampflok schicken schaut
doch nur mal wie der schlot raucht schnell und pfeift

still liegen die steine unter den gleisen
drücken die wurzeln vom vergissmeinnicht weil
heute kein zug mehr darauf fährt und mit altpapier
riskiert doch keiner mehr was für ein schönes kreuz!

WEISS DENN JEMAND, WAS DANN KOMMT?

WEIß DENN JEMAND, WAS DANN KOMMT?

auf der Suche nach dem lösungsweg
stöbere ich im nirvana lügenlastig
gut gefüllt mit trost finde ich cheats
mit denen wir den wahnsinn unter uns
blocken austricksen umgehen auslöschen

könnten wir das einfach so wenn wir alle
die nicht in machtgeräten verfangen sind
unverdiente orden den reichen und anderen
lügenapparaten vor die füße würfen? schade
denke ich der film*) ist schon zwei jahre alt

auf der suche nach dem lösungsweg
begegnen mir soldaten die den krieg
des reichen mannes nicht länger führen
wollen im netz wollten sie es jemals?
welchen lügen trauen wir unserem land?

weiß denn eigentlich jemand was dran ist
wenn die herrschende klasse kein blaues
blut mehr aus banken tropft? schlafsand
auf unsere satten augen und ruhiggestellt
lauscht das hirn tauschenden frauen im tv

weiß denn jemand was dann werden wird
wenn alle verräter entlarvt und alle lügen
aufgedeckt vor uns liegen? verantwortung
auf wenigen köpfen nickt sie beruhigend
das lässt sich alles regeln unter uns ruhe

das taschentuch saugt meine tränen auf
und das bedeutet nichts so nah am wasser
bin ich ja schnell mal berührt von soldaten
die über lügen reden, denen sie glaubten
und dafür die welt um verzeihung bitten

wann verzeihen wir uns unser sattsein?
schlafende bäuche aller länder fragt euch!

© Jo Lenz, 2014

*) http://youtu.be/tegH7IRkMWc

»Erstma eene«

SCHREIBWETTBEWERB zum Thema „uffrochen“

Quasi fast eben, also gegen 16:15 Uhr erreichte mich per Messenger der Vorschlag einer befreundeten Schreiberin:
„Pass uff: Contest. uffrochen, Deadline 17:00 Uhr. Bock?“
Ja, ich hatte Bock, aber gerade das Essen auf’m Tisch. Also gut, dann bis 17:15 Uhr, einigten wir uns. Ich schlug vor, dass ich mir zur besseren Reflexion erstmal eene anstecken müsste, besann mich aber darauf, dass ich gar nicht rauche …
Der Startschuss fiel gegen 16:45 Uhr. Uffrochen, nun denn. Nach ca. 25 Minuten hatte ich meinen Text fertig und fand das mal einen richtig tollen Hardcore-Schreibwettbewerb  Danke für den Spaß und hier das spontane Ergebnis: „»Erstma eene«“ weiterlesen

»Märchen(b)raten«

MÄRCHEN(B)RATEN

Immer noch bis zu den Knöcheln im Blut des Drachen,
in seinem Herzen die Silberklinge aus deiner Hand.
Wer räumt das alles wieder auf nach diesem Streit?
Der Auftrag für seinen Kopf, das Verlocken, winkt
haarraufend grimmig zu Jacob und Wilhelm täuscht
mit Aufstiegsversprechen. Kraut wächst dagegen nicht.

Aber du hältst sehnend an ihren Locken fest.
Soll sie sich doch herablassend erleichtern und
mit ihrem Haupt, das von Gedanken entflutet
eben das sabbernde Brudervolk verabschiedete,
dein Kräuselhaar ehrbar in Rinnsalen schmücken.
Birgt Lieben in Türmen nach Hieben nur Tücken? „»Märchen(b)raten«“ weiterlesen