Zurück zur Natur

Schön so, morgens, bevor die Mehrheit die S-Bahn nutzt, ein halb leeres Abteil zu betreten – normalerweise bleibe ich die fünf Stationen bis zum Umsteigebahnhof an der Tür stehen, weil ich um diese Zeit und auch generell nicht so sonderlich Lust auf fremde Menschennähe habe – aber heute sind prompt gleich mehrere Vierergruppen frei. Naja, denke ich, setz ich mich ausnahmsweise mal.

Ich bin fast am Ende des Waggons, vor der letzten Tür. Dahinter befinden sich nochmal zwei Vierergruppen, auf eine fällt mein Blick. Da steht ein verdreckter Jutebeutel, oben auf liegt eine ordentlich zusammengerollte karierte Wolldecke. Der Besitzer daneben scheint in sich versunken, jedenfalls sehe ich ihn nicht. Ich versuche, den Spruch auf dem Beutel zu entziffern, denn es lohnt sich kaum, das Buch für die kurze Strecke aus dem Rucksack zu holen, und lese: „Ein großer Schritt VORWÄRTS: Zurück zur NATUR“ „Zurück zur Natur“ weiterlesen

vergessen

er ist immer schon da
immer noch auch wenn
ich die bank passiere

zwischen backshoptüten
pizzapackungen geleert
glänzt sein grauer bart

er liegt immer nur da
immer noch auch wenn
morgens alles erwacht

auch an nachmittagen da
hängt das bein zur seite
herab blicken nur fremde

und der verkehr rollt laut
redet alles ringsum lässt
ihn seit wochen so liegen

einmal saß er da und ich
fing seine braunen augen
im vorbeifahren auf mich

wie aus dem märchen ein
gesicht wie aus dem märchen
dachte ich und hoffe noch

© Jo Lenz, 29.08.2014