Ab, uff den Drahtesel!

Es kommt endlich wieder Leben in die Lenden, äh in die Pedalen, der Frühling ist da. Ich also heute Morgen: nachdem mich gestern höhere Gewalt (nicht vorhandener Schlüssel) von dem Vorhaben abhielt, meine acht Kilometer Arbeitsweg auf dem Rad zu bewerkstelligen, hat heute alles gepasst. Zwar fand ich die Handschuhe nicht, aber bei Plusgraden geht das ja auch ohne. Die Schmierschicht an den Händen (Haargel plus Regenwasser) eins zwei fix an der noch trockenen Jacke abgewischt, stand dem work in nichts mehr im Wege. „Ab, uff den Drahtesel!“ weiterlesen

Ostergedicht

All die langen Nasen,
länger als Ohren von Hasen,
nicht als Zeichen von Potenz
sondern der Lüge Präsenz,
ließen sich nicht aus Eiern blasen.

© Jo Lenz, 25.03.2016

Brett vorm Kopf

Es war mal ein graues Vögelein,
das wollte für Großes vorherbestimmt sein,
futterte gierig das gebrachte Gewürm.
Eines Tages klatscht ihm ein Brett an die Stirn.
Trotzdem zwitscherte weiter es, fröhlich & fein,
war ein zielstrebiges graues Vögelein.

Mit Brett vor dem Kopf, sagte es sich,
verführn mich die bunt Gefiederten nich,
solln die sich doch ihre Hucken vollpfeifen,
ich behalte gern den hölzernen Streifen
und lass den Gesang nicht bis an mich ran,
fange lieber allein das Fliegen an!

Es flatterte wild auf des Astes Ende,
da zog das Gewicht vom Brett es behände
hinab in die Tiefe, war ein hoher Baum,
es stürzte so schnell – ja, man sah es kaum,
flog dort einem Räuber hart ins Gesicht,
mit fliegenden Brettern rechnen Räuber ja nicht.

Das Mädchen, das dem Schuft entkommen,
blieb stehen und ward ganz benommen
vom Anblick des Retters im Vogelkostüm,
Vor dir werde ich niemals nicht entfliehn,
sagt’s und hob das Vögelein auf,
und dessen Bestimmung nahm seinen Lauf.

Es bekam einen Käfig von Gold und Damast,
Diamanten aufs Federkleid – was eine Last,
stöhnte es leise, doch blieb ungehört,
denkt ja keiner, dass Prunk einen Retter stört.
Da hockt es bis heute und fragt nach dem Sinn,
und wünscht sich zurück auf Anbeginn …

© Jo Lenz, 25.03.2016

Ich will.

Lies dich nur aus,
und dann schweig fein still,
weil ich sodann etwas schreiben will,
während du träumend in Tiefschlaf verfällst,
will ich erspinnen, wie du Nächte erhellst,
meine jetzt, früher wohl die da der andern,
doch Träume sollten nie stehen, stets wandern,
erfüllend sich selbst und darüber hinaus
uns lockend aus Federn, aus sicherem Haus,
denn Abenteuer lauern nicht unter dem Bett,
nun ja, bisweilen, ist’s da auch sicher nett,
so schön sicher, gewärmt, gekuschelt, bespielt,
’s kommt eben drauf an, wohin die Sehnsucht zielt,
doch ich will lieber vorn an der Reling frieren,
als unter Deck die Tafeln zu zieren,
also lies dich aus,
und dann schweige still,
weil ich jetzt endlich schreiben will …
 
© Jo Lenz, 21.03.2016

Verdacht

War einer und dachte zu wissen,
was der andere denkt,
wenn er nicht spricht.
Er irrte schlicht.
Seiner Anmaßung
entsprachen
die Gedanken

des anderen nicht.

© Jo Lenz, 2016

mächtige du.

ich atme dich
mit geschlossenen augen
trinke ich deine liebe
mein leben lang
rinnen letzte tropfen
in mir
bald
atme ich
aus und
du sonne
badest dich

versteckt vorbei

treibt
unser boot auf salzfluten
schaukelt schlägt
wellen werden wir
am anderen ende
knospen deine strahlen
wie oft du auch gehst
mächtige du
alles wartet
deiner

© Jo Lenz, 2014

verblendet.

Der Nachbar spielt mit mir
Rätselspiele voller Licht.
Gewagt, denke ich,
am helllichten Tage
über die Straße hinweg
blinkt es von seinem Balkon
direkt in mein Fenster.
Wie ging denn bloß das Morsen?
Oder soll ich den Wind fragen,
der die Vogelscheuche
vor seinem Fenster
bewegt?

© Jo Lenz, 2016

Leipzig liest.

Vierundzwanzig Stunden Durchmachen und den Arbeitseinsatz in Bordeaux vorzeitig abbrechen … für „Leipzig liest“ … muss ich dann doch kein zweites Mal haben. Mein Ankündigungstext hat mich ziemlich verwirrt und die mir bekannten Lyriker nebst Verleger waren leider viel zu schnell verschwunden. So schade! Zum Glück durften wir noch bis 1:00 Uhr am Veranstaltungsort bleiben und unsere Krimis lesen. Bier gab’s genug und wir hatten es warm – fuhr doch der megabillige Megabus erst um 6:35 Uhr zurück nach Berlin und hieß es für uns somit, die Nacht zu überbrücken. „Leipzig liest.“ weiterlesen