Es gibt schon so viele Weihnachtsgedichte

Es gibt schon so viele Weihnachtsgedichte
und auch der Welt beste Weihnachtsgeschichte,
so dass ich von Tannen, Lichtern und Glanz,
von leuchtenden Augen bei Hilde und Franz,
von Hetzen, Wollen, Wünschen und Sehnen,
vom Streiten und Fressen, Saufen und Gähnen,
von glücklichen Kindern und einsamen Alten
und Jungen, die keine Hand hab’n zum Halten,
vom Mädchen, das nachts auf der Straße friert,
und all ihre Liebe an ihren Hund verliert,
davon, wie ich beiden ein Geschenk kaufen wollte,
und wie ich’s im Kaufrausch vergessen sollte,
wie als Kind schöne Weihnacht bei mir begann
mit Oma im Schnee durch blickdichten Tann
den Berg weit hinauf und zur Kirche hinein
denn die Lieder wollten gesungen sein,
es gibt schon so viele Weihnachtsgedichte
und auch der Welt beste Weihnachtsgeschichte,
so dass ich von Nächsten, Liebe und Geben,
vom Teilen, Einladen, friedlichem Leben
gar nicht recht weiß, was ich schreiben soll,
denn durch Liebe zur Mama ist mein Tag so voll
mit fertig Verpacken, mit Duschen und Zieren,
mit zum Bahnhof flitzen und den Hut verlieren,
mit Erinnern an Tage, als die Omas noch waren
Erinnern an Krisen in so manchen Jahren,
an alleine sitzen, grübeln und flennen,
an viel zu zeitig im Glührausch einpennen,
an Ängste um alles, an Sorgen um nichts …

und jetzt weiß ich nicht so recht, wie ich den Bogen finden soll, der mich an den Punkt führt, an den ich damit eigentlich wollte. Ich konnte einfach nicht in mein diesjähriges Weihnachten gehen, ohne für mich und für alle, die mich so treu lesen und mir immer wieder aufmunternde Worte schenken, etwas dazulassen. Diesmal gibt es keine Ausrede für einen Rückzug in die Schreibhöhle, denn gesundheitlich geht’s mir gut und da kann ich der Mama den Wunsch nicht abschlagen, mit meiner Anwesenheit zu glänzen. Werde auch eigens dafür erneut Feenstaub aufsprühen.

Was ich uns wünsche? Es gibt so viel mehr, was ich uns nicht wünsche. Wer die aktuellen Geschehnisse, die durch TL und Medien rauschen, verfolgt, weiß, was ich meine … aber der Text soll ja positiv enden, auch auf die Gefahr hin, dass er dann kitschig rüberkommt … puh …
Denen, die krank sind, richtig krank sind … wünsche ich Hoffnung, die nie endet und Kraft und Willen, jeden Tag als ihren Tag zu feiern, sich selbst in ihren Mittelpunkt zu stellen und so lange sie im Leben sein wollen, das volle Pulle zu tun, EGAL, was Mitmenschen darüber denken. Keiner, der nicht annähernd in der Situation war, um sein Leben zu fürchten, weiß, was das heißt … so much LÖVE für euch!
Denen, die alleine sind, und es nicht sein wollen, wünsche ich von Herzen, dass sie fühlen, dass sie niemals ganz alleine sind, denn wenn sie den Text hier lesen, haben sie zumindest Kontakte in die Welt, auch wenn die nicht zu fassen sind. So lange der Akku voll ist, wird jemand da sein, der virtuell unsere Hand hält. Ich weiß, es geht nichts über echte Arme, in denen wir versinken können, die uns in Löffelchen auf der Couch warm halten, uns schnulzige Weihnachtslieder auflegen, ein Glas Rotwein reichen, ins Ohr blasen … Soifz, ja. Aber zumindest bleiben Streit und Heuchelei vor der Tür, hinter anderen Türen. Schwacher Trost? Ja, mein Gott, wem nach Heulen ist, der heule! Das befreit am Ende auch und hat Berechtigung … so much LÖVE für euch!
Denen, die man ihrer Familie entrissen hat, die man ihrer Wurzeln beraubte, wünsche ich, dass die Menschen sie hübsch schmücken, und dass sie gar nicht merken, wie dumm dran sie eigentlich sind so als Weihnachtsbaum ohne Topf … so much LÖVE für alle Bäume – hach, ich muss meine Geschichte im Wald endlich weiter schreiben.

Liebe Alle, die bis hierher gelesen haben, haltet euch fest, zeigt eure Liebe, lebt nicht nur im Traum. Singt, auch wenn es schief klingt, aber euer Herz frei macht. Besinnt euch auf das, was uns zwei Feiertage schenkt und Unternehmern zwei Tage Kohle und Arbeitsleistung nimmt … ach ja, so much LÖVE auch für alle Unternehmer 😉 … und denkt daran, wirklich niemand, steht er noch so nah, hat uns zu sagen, wie wir sein sollen.

Fröhliche Weihnachten, Licht & Liebe

Eure Jo

das klopfen bleibt

es war kein klopfen mit dem du kamst
meer ein rauschen voller schläge
gesang von oh wunder und staunen
für ein wesen das nichts von dir weiß

gesang überschlägt ringendes herz
hinter rippen klopft es laut im bogen
tanzt rauschen schritt für schritt
fließt seine sucht dir zu füßen

klebrig bald viel leuchten im blick
bitten war hoffen auf rückzug pein
vorprogrammiert kommt gut nie allein
daher nimm dein staunen mit dir

es blieb ein klopfen als du gingst
meer voll rauschen in seinem herz
bleibt ja die erinnerung an wunder
von denen es nichts ahnte bis dahin

ich atme für mich

das gefühl
sich dafür entschuldigen zu müssen
dass man überhaupt noch atmet

gekommen mit worten
die dir über die lippen fahren
meine worte zu vierteilen

wie kann ich auch denken
und dieses denken laufen lassen
wo es sich um dich dreht
in deiner welt
in der ich nur bin
weil die natur es wollte

wie kann ich auch fühlen
was ich empfinde
in deiner anwesenheit
ein paar stunden am tag
zwei vielleicht

das gefühl
dass es sich nur um dich dreht
in meiner anwesenheit

hingesetzt am morgen
wenn der topf duftet und dampft
und deinen tag begleiten soll

wie kann ich denn vergessen
dass ich selbstverständlich bin
weil die natur es so wollte

weil ich es so wollte
dich darin mit heißem herzen
darum werde ich weiteratmen
allein für mich

neulich

neulich
sah ich eine muse sitzen
sie hatte mich wohl erwartet
flog zuvor einige zeit um mich
doch ich nahm sie kaum war

neulich
als ich sie dort sitzen sah
und mich erinnerte an sie
fuhr sie mit einem satz
in mich nur mit einem

neulich
habe ich sie fliegen lassen
ihre zauberhände berühren nun
immer noch jeden tag mein herz
ohne dass sie es weiß

Ich will nur wissen

Ich will nur wissen,
auf welcher Seite du erwachst,
ob dich dein Wecker weckt oder
deine Gedanken dir Schlaf rauben.

Ich will nur wissen,
worüber du als erstes lächelst,
ob du Kaffee oder Tee trinkst,
du Frühstück magst oder nicht.

Ich will nur wissen,
ob du kalt oder warm duschst,
ob du singst dabei oder denkst
und wonach du danach duftest.

Ich will nur wissen,
welchen Schuh du zuerst anziehst,
ob du fast den Schlüssel vergisst,
wen du als erstes am Tag siehst.

Ich will nur wissen,
welche Farbe dein Notizbuch hat
wie viele Seiten noch leer sind, und
wie oft am Tag es in der Tasche bleibt.

Ich will nur wissen,
nach wem du dich umdrehst und
ob du bei rot stehen bleibst, auch
wenn die Straße frei ist.

Ich will nur wissen,
welches Obst du magst, ob
du Äpfel am Ärmel putzt oder
ob du sie mit Wasser wäschst.

Ich will nur wissen,
mit wem du unbedingt mal ein
Bier trinken willst und welches, und
wenn du wählen könntest, wo.

Ich will nur wissen,
worüber du zuletzt Tränen gelacht hast
und was dich zum Weinen bringt oder
ob du dir Tränen verkneifst.

Ich will nur wissen,
ob du jemals wissen willst,
wieso mich das alles interessiert …

es gruselt mir

In den 70ern und 80ern, in der Nähe von Berlin:

5 Jahre – In der S-Bahn:
»Mama, da wo die weißen Häuser sind, da wohnt Oma, stimmt‘?«
»Psst. Nicht so laut …«
»Und warum dürfen wir da jetzt nicht hin?«
»Psst! Du sollst das nicht fragen!«

12 Jahre – In der Schule:
»Hey, ich habe ’ne neue Bravo …«
»WAS? ’ne BRAAAVOOO? Echt jetzt? Hat dein Opa wieder geschmuggelt?«
»Pssst. Nich so laut! Darf doch keiner wissen.«
»FUNK UHR – eine Mark! FUNK UHR – eine Mark!«
»Bist du verrückt?! Das ist Westwerbung!«

Vision 20XX – überall in Deutschland:
Die Mauer ist weg. Eine neue muss her. Rund um Deutschland. Und jeder, der nicht ÜBERALL unsere Sprache spricht, gehört über die Mauer gehievt. Und muss dann jeder, der nur deutsch spricht, für immer drin bleiben? Oder wird vielleicht auch innerhalb wieder eine Steinwand gezogen? Könnte doch. Hätten Künstler wieder Fläche. Und wenn, wie liefe das dann ab? So ganz ad hoc? Über Nacht? Oder dürften vorher alle entscheiden, auf welche Seite sie hüpfen? „es gruselt mir“ weiterlesen

spuren

wo ich beiße
ragen kristalle
aus deiner haut
an denen du dich schneidest
bin ich erst fort

wo ich küsse
schäumt blut
unter deiner haut
an dem du dich verbrühst
nehme ich meinen namen mit

wort verloren

es muss ja mal gesagt werden
das verlieren in worten birgt

verlust

geschäfte kann man das
jedoch nicht nennen wir es
gefahr einerseits denn zeilen
halten spinnweben gleich zarter
mal als andere die dich packen
liest du nicht schnell genug weg
fangen sie dich kleben dich

an sich

gefällt dir das zu beginn kannst
du dich von ihnen necken lassen
sie aufheben über wangen streichen
damit sie aufblühen gerötet in wonne

ich selber sitze hier mit gleicher röte
es muss ja mal gesagt werden
das verlieren in worten die eigenen folgten
birgt noch viel größere gefahr …

manche sehen liebe anders

Gestern bei Twitter … hatte ich einen kurzen Wortwechsel mit Detlef Cordes, alias @musikwerk. Mir war sein Profilbilddoppelwechsel aufgefallen – hin zu Weihnachten, weg von Weihnachten – aber das tut nix weiter zur Sache. Jedenfalls erwähnte er bei der Gelegenheit, er hätte heute öfter an meinen Blog gedacht. (Mein Ego lässt sich gerne pinseln, was meine Schreiberei angeht. Bis dahin wusste ich ja nicht mal, dass er meinen Blog kennt.) Ich fragte also erstaunt zurück, Ach? Woran genau?
Einige Minuten später schickte er mir den Link zu folgendem Text … und das hat in meinem Herzen ganz schön Zooooom gemacht. Aus zwei Gründen, aber hier erstmal der Text von Detlef Cordes:

„manche sehen liebe anders“ weiterlesen

Sterbeunterbrechung

Ende Mai stellten wir fest, dass das Päckchen mit den Kreuzworträtselheften nicht in Thailand angekommen war. Nochmals würden wir es nicht schicken wollen. Das Porto war nicht unerheblich. Im Juli würde ein Freund meines Vaters sowieso rüber fliegen und der könne die doch mitnehmen und direkt übergeben. Meine Oma nämlich liebt Kreuzworträtsel. Ich war insgeheim froh, dass sie weiterhin so fit ist, stand doch unser Interview noch aus, das wir besprochen hatten, für ein Buch … weil sie eben so ein wundervolles Original ist, deren Augen und Hände schon für manche Protagonistin herhalten mussten, und überhaupt, ihr ganzes Wesen, ihr Humor, ihr Putz …

Am 29.06.2014 starb sie, ohne dass ich sie nach ihrem Umzug vor drei Jahren wiedergesehen habe.  „Sterbeunterbrechung“ weiterlesen